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Unsicherheit aushalten

Liebe Leserin, lieber Leser,
liebe Mitarbeiterin, lieber Mitarbeiter,

"Unsicherheit ist das letzte, was ich brauche…“, schießt mir immer wieder durch den Kopf. Das geht wohl vielen so, denn die Forderung nach einer Perspektive und damit dem Ende der Unsicherheit hört man im Stundentakt in den Medien. Das ist wohl nach den schweren Krankheitsverläufen von Covid 19 das größte Problem aktuell. Ich finde es so schwer zu ertragen, nicht zu wissen, was morgen ist. Schon immer, aber jetzt fast in jedem Moment und bei jedem Plan, egal ob es mein Geburtstag ist, ein wichtiges Treffen, ein besonderer Einkauf. Wir sind es gewohnt, zu „wissen“, was morgen ist. Und wenn wir es nicht gleich wissen, dann wenigstens der Wetterbericht, die Hausärztin, das Internet oder die Bundeskanzlerin. Wir haben es aus der Wahrnehmung verdrängt, dass wir nicht selbst die Kontrolle und Macht über die Zukunft haben. Gegen Regen gibt es den Schirm, gegen Hitze die Klimaanlage, gegen Schmerz die Tablette, gegen Einsamkeit die Partnerbörse. - Aber: Haben wir jemals gewusst, was morgen ist? Schon immer wollten wir es wissen. Das tägliche Horoskop in den Medien ist ein Beleg dafür, aber auch so manches Gespräch mit einem Versicherungsagenten.

Ja, es ist so schwer, diese Unsicherheit auszuhalten und nicht zu wissen, wann wer wieder öffnet und wann ich mit wem was wieder darf. Es ist so schwer, wie das Warten auf eine Diagnose, so schwer wie das Warten auf die Nachricht, ob der geliebte Mensch am Reiseziel gut angekommen ist. Wir können es nicht wissen!! Das ist ein fast vergessener Bestandteil unseres Lebens, dessen Anfang und Ende wir eben auch nicht in der Hand haben. - Manchmal ist das übrigens auch gar nicht so verkehrt, habe ich schon gemerkt.

Ich wünsche eine gesegnete Woche und viele schöne Feiern, irgendwann, egal wann, es wird schön.
Ihr Pfarrer Jochen Keßler-Rosa